Zoom(de)collage

Definiton der Zoom(de)collage von Benjamin Krainer vom 1.1.2013 Wien

Durch die Regeneration der unverbildeten Sehens, sehen, was ist, ohne zu zerstören, denn es ist bereits zerstört, durch menschliche Aggression, Wind, Regen und gebleicht von der Sonne. Die Werbeplakate mit zerstückelten Informationen werden von Benjamin dem Zufall entrissen und mit seiner Kamera festgefroren, um diese anschließend in limitierter Anzahl mittels industrieller Drucktechnik auf Leinwand zu drucken.

Decollage

Definition der Decollage ( DuMont’s kleinen Sachwörterbuch des 20. Jahrhunderts, 1990) : Bezeichnung der Technik der Abreißbilder von Plakatwänden, im weiteren Sinne die destruktive Veränderung von Materialien allgemein. Die Endprodukte einer destruktiven Decollage sollen als Anschauungsmaterial einer Regeneration des unverbildeten Sehens einleiten.

Die Plakatierung

Jules Chéret, hat das Webeplakat um das Jahr 1860 in Frankreich erfunden mit dem Ziel, andere Menschen mittels der Kommunikation zu beeinflussen. Wie wir sehen, gibt es heutzutage noch diese Form der Werbung, Allerdings wird sie massiv von elektronischen Webebildschirmen verdrängt. Somit sind immer weniger Objekte für die Zoom(de)collage auf den Straßen der Städte ober anderen Orten zu finden.

Benjamin Krainer

Benjamin hat ein sensibles und jahrelang geschultes Wahrnehmungsvermögen für Struktur, Formen und Farben. Bei seinen ausgedehnten Streifzügen durch Stadt und Land entdeckt er per Zufall abgerissene und überklebte Plakate, die den jeweiligen Gefühlszustand der BürgerInnen, ihren unterdrückten Zorn und ihre Aggressionen aufzeigen, und die die Unterhaltungsprogramme und politischen Ziele dieser Orte widerspiegeln. Die Plakate verweisen trotz ihrer Narben noch immer auf ihre Herkunft und einstmalige Aussagen. Ursprünglich vollkommene Plakate, deren Sinn es war, als Information gelesen, betrachtet und verstanden zu werden, geben nun Rätsel auf. Sie wecken in ihrem lückenhaften irritierenden Dasein Assoziationen und regen die Fantasie an. Entgegen ihrer anfänglichen Funktion der klaren und aussagekräftigen Bekanntmachung stiften sie nun Verwirrung, da sie sich ihrer Metamorphose zu einer neuen Poesielandschaft verwandeln.

Auch erinnert Benjamins Arbeitsweise an die Experimentelle Archäologie mit ihren Fragestellungen. Durch das Dokumentieren des vorgefundenen Materials (Plakate) wird durch die Zoom(de)collage das soziale Leben in der Stadt und auch auf dem Lande festgefroren und kann dadurch in einer späteren Periode untersucht werden. Durch das Werkzeug dieser neuen Kunstform ist nun Benjamin Krainer in der Lage, den natürlichen Zerstörungsprozess der Plakate durch Regen, Wind sowie die menschliche Aggression in seinen Dienst zu stellen. Ein Dankeschön an alle unbekannten Künstler, Überkleber und zerstörungswütigen Mitbürger, die ihm dabei helfen sein Auge zu schulen, denn dadurch findet er das Ausgefallene und das Phantastische. Aus diesem Grunde dokumentiert Benjamin mit seiner Kamera eine rätselhafte Wirklichkeit und reproduziert diese in limitierter Anzahl als demokratische Kunst.

Die Stadt aus der Sicht einer Pixelkamera

Ich, die Pixelkamera erzähle von wildem Plakatieren im öffentlichen Raum. Es ist mir komplett egal, wo die Plakate kleben. Die meisten von ihnen sind nicht auf genehmigten Flächen wie Litfaßsäulen, denn auf diesen herrscht Ordnung. Die anarchische Freiheit im urbanen Raum beschenkte meiner Linse bis vor kurzem ein Chaos von schichtweiße abgerissenen und überklebten Plakaten. Vom künstlerischen Standpunkt aus ist dies eine Offenbarung und dient nicht den finanziellen Privilegierten oder einer hochkulturellen Kunstmaschinerie.

Das inoffizielle Plakatieren im öffentlichen Raum ist für meine Linse ein Ausdruck der Selbstbestimmung von menschlichen Bedürfnissen und kreativer Betätigung. Aber die von der amtlichen Hand tolerierten Freiflächen in den Städten sind in den letzten Jahren vermehrt verschwunden und geben meinem Speicher keine Arbeit mehr. Dies macht mir Angst und hinterlässt einen bitteren Beigeschmack in meinem Innersten, denn ohne diese illegalen Plakate verliert die Stadt Wien seinen Charme.

So werden die Städte immer glatter, permanent umgebaut und verschwinden hinter schönen Fassaden, unter denen der Beton lauert. Nicht nur versiegeln wir eine Fläche von 1,5 Hektar pro Tag, auch die Kunst des Sehens wird behindert und folglich auch unsere Freiheit.